Hamburg -
Das Klischee vom wilden Rock-'n'-Roll-Leben erfüllen die Mädels von Elliot nicht wirklich. Die vier kommen gerade aus der Schule, als sie sich mit dem Abendblatt zum Interview treffen - zu Hause bei Josephine Raulf (13), die in der Band Saxofon und Bass spielt. Lichtdurchfluteter Altbau statt düsterer Backstage-Charme. Das Catering (beziehungsweise Mittagessen) liefert Muttern. Getoastete Ciabatta-Schnittchen, Avocado, Erdbeeren und Apfelspalten.
Auch sonst mögen's die Musikerinnen gesund - und bürsten damit das Image des Business hübsch gegen den Strich. "Nichtrauchen ist cool" stand beim Live-Auftritt im Altonaer Frauenmusikzentrum (fmz) auf ihren Shirts. Eine Ansage, die bei älteren Konzert-Gästen nicht unbedingt für Euphorie sorgte, die bei "Mädchen Rocken Barmbek" aber gut ankommen dürfte. Zum dritten Mal zeigen 13- bis 25-Jährige morgen beim Mädchenband-Festival auf Kampnagel, wo der Bass, das Schlagzeug, die Gitarre hängt. Und das, wie rot gefettet auf dem Flyer steht, "alkohol-, rauch- und drogenfrei". Die Hamburger Damen von Elliot werden mit ihrem munteren, englisch-deutschen Crossover-Pop die jüngste unter den acht Bands sein. Der erste große Auftritt - definitiv ein Fall für Lampenfieber.
"Auf der Bühne haben wir uns nicht so unter Kontrolle. Alles ist doppelt so schnell und doppelt so laut", erzählt Josephine aufgekratzt. "Anfangs hatte ich den totalen Blackout", erinnert sich Keyboarderin Hannah Heise-Metzscher (14) an den fmz-Auftritt. "Aber als ich merkte, dass das Publikum unseren Hubschrauber-Song gut fand, war's o.k." In dem Lied, in dem Josephine wie eine Rotzgöre rappt und Sängerin Madita Standke-Erdmann (14) zur ("natürlich absichtlich") kindischen Melodie trällert, finden sich Versatzstücke von Trios "DaDaDa" über James Browns "I Feel Good" bis zu Jack Johnsons "Good People". "Das haben wir voll geklaut", sagt Josephine kichernd. Aber auch Klauen will gelernt sein. Die Songtexte schreiben die Mädchen im Team. Vom Tanzen handeln sie. Und davon, wie Hannah meint, "dass man mehr Selbstbewusstsein haben sollte".
Ein starkes Ego ist nicht nur hilfreich, um sich ins Rampenlicht zu stellen, sondern auch, um Neid abzubügeln. "Die Jungs in unserer Klasse haben gesagt, dass sie auch 'ne Band machen, aber davon haben wir noch nichts gehört", sagt Josephine. Und für Hannah steht ohnehin fest: "Wir sind 'ne Mädchenband. Fertig. Ein Junge dabei . . .", "das würde nur Stress geben", ergänzt Madita. Obwohl alle klassischen Musikunterricht haben, teils seit Jahren Klavier spielen, ist die Band ihr absolutes Ding. "Alleine zu spielen ist viel öder", bringt Josephine die Sache auf den Punkt.
Einmal die Woche üben die Achtklässlerinnen im Proberaum des Helene-Lange-Gymnasiums, wo sie sich vor mehr als drei Jahren kennengelernt haben. "Unsere Lieblingslehrerin war schwanger. Wir haben uns gefragt, was wir zu ihrem Abschied machen können", erzählt Elliot-Drummerin Lisa Cukuranovic von den Anfängen. Zwar hatte die 14-Jährige noch nie Schlagzeug-Unterricht, aber sie setzte sich an die Trommeln und legte los. Mit ihren Freundinnen dichtete sie den Klassiker "I Love Rock 'n' Roll" um. Musiklehrer Bernd Thiele vermittelte später Musikerin und Band-Coach Catharina Boutari. "Zuerst hatten wir Angst, dass die total streng ist", so Lisa. "Aber dann waren wir echt erleichtert."
Im Helene-Lange-Gymnasium gehen sie nicht nur in die 8. Klasse, sondern einmal pro Woche in den Proberaum. Morgen spielen sie auf Kampnagel.Die Hamburgerin hilft nicht nur, Melodien zu finden. "Sie gibt uns auch seelische Unterstützung", sagt Lisa. Im Knust haben sie Boutari schon live erlebt. Ohnehin sind die vier passionierte Konzert-Gängerinnen - von den Black Eyed Peas bis zu den Red Hot Chili Peppers. Da gibt's dann das ein oder andere Rock-'n'-Roll-Klischee zu begutachten. Wenn auch nur auf der Bühne, (noch) nicht im eigenen Leben.
Mädchen Rocken Barmbek: morgen, 18 Uhr, Kampnagel; 7/5 Euro .
erschienen am 13. April 2007